Warum immer wieder das Pferd von hinten satteln? oder Wenn die heiß ersehnte Normalität auf einmal die Freiheit bedroht

Schon fast gebetsmühlenartig stellt die Gewerkschaftsszene am Ende des Sommers bei der „rentrée politique“ alljährlich den sogenannten „warmen“ bzw. „heißen“ Herbst in die Vitrine. Nun, wie die momentane Situation im Land erscheint, wird zumindest im Herbst 2021 der Umgangston zwischen Regierung, Gewerkschaften und Patronat ein sehr rauer werden.

Ja, was denn nun?

Stein des Anstoßes ist das neueste Covid-Gesetz, mit dem die augenblickliche Regierung, ja was denn nun eigentlich? Den allgemeinen Covid-Check in sämtlichen Betrieben einführen will? Die Impfpflicht über Umwege einführen will? Oder auf dem Buckel des sozialen Friedens die Impfquote steigern?

Cleverer Schachzug der Politik

Auf jeden Fall hat die Politik wieder einmal einen cleveren Schachzug gemacht. Bei 60 Mandaten im Parlament ist 31 nun eben eine Mehrheit und somit hat die Regierung die heiße Kartoffel namens Covid-Check an die Betriebe weitergereicht und damit sämtliche Gewerkschaften auf den Plan gerufen. Diese haben ihre Hände nun voll zu tun, da es an und für sich weder eine klare noch eine einfache Antwort auf die Frage gibt, ob man nun für die Einführung des Covid-Check am Arbeitsplatz ist oder nicht.

Es ist auch schier unverständlich, dass die Regierung per Gesetz eine solche Maßnahme von oben herab dekretiert und sich diese dann auch noch von Ihresgleichen im Parlament absegnen lässt, ohne auch nur den Hauch von einem Dialog mit den Sozialpartnern im Vorfeld anzugehen.

Spaltung der Gesellschaft

Was folgt, ist eine Spaltung der Gesellschaft. Die Geimpften gegen die Nichtgeimpften. Was wiederum diejenigen bestärkt, die bewusst mit Unwahrheiten operieren und Falschinformationen verbreiten. Denn diese werden keinesfalls müde, mit den Ängsten Anderer zu spielen.

Die Genesenen lässt man scheinbar ganz auf der Seite. Für die interessiert sich eh keiner, oder hat jemand eine aussagekräftige Erklärung wie lange man immun nach einer Covid-Erkrankung ist?

Gewerkschafter sind keine Impfgegner

Den Gewerkschaften wirft man auf einmal vor, sich im Lager der Impfgegner und Querdenker zu tummeln. Solch ein Gedanke grenzt schon an eine bodenlose Frechheit, denn, wenn es einen Konsens gibt, ist es der, dass die Impfung Teil der Lösung der sanitären Krise ist.

Gesetzeskeule first

Wäre da nicht die etwas schwächelnde Impf-quote. Doch anstatt mit Transparenz und Dialog Impfzögerern das Wieso, Weshalb, Warum zu erklären, schwingt die Regierung die Gesetzeskeule und brüllt zum (Vor-)wahlkampf.Und was bleibt, ist eine Menge verunsicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Wie heißt es so schön auf Luxemburgisch? "Gutt geschafft!"

Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass die Aberzahl an Covid-Gesetzen zumeist unter der Dusche mittels Geistesblitz entstanden sind. Klar ist aber, dass diese Gedankengänge es oft nicht bis zum Reißbrett geschafft haben, auf dem man mit konkreten Fallbeispielen hätte arbeiten können. Mit dem neuesten Gesetz hat die Regierung es nun wieder einmal versäumt Klarheit zu schaffen, wo es um das sogenannte Lebendige geht.

Das kleine Einmaleins der Praxis

Im Gegensatz zu den politischen Verantwortlichen können und wollen wir es uns als SYPROLUX nicht erlauben, über die Schwierigkeiten einer praktischen Umsetzung eines solchen Gesetzes hinwegzusehen:

1. Fall: Nehmen wir an, ein Mitarbeiter, sagen wir ein Lokführer, verweigert einen Covid-Check bei Dienstantritt. Handelt es sich dann um eine Arbeitsverweigerung (refus de service)? Wird er dann suspendiert? Erwartet ihn ein Disziplinarverfahren? Da werden die Köpfe über den neuen Regeln der Generalorder N°10 hurtig anfangen zu rauchen!

2. Fall: Würde für die Kollegen Zugbegleiter oder Busfahrer ein Covid-Check Sinn ergeben? Diese fallen eh noch unter die Maskenpflicht. Oder wie sollen Zugbegleiter oder Busfahrer den Reisenden erklären, dass Letzteren ohne Maskenschutz der Zutritt zum öffentlichen Transport verwehrt bleibt, wenn Erstere selbst keinen tragen? Weitere Übergriffe gegenüber dem Personal sind dann schon mal vorprogrammiert!

3. Fall: Werfen wir einen Blick auf den administrativen Teil der Belegschaft und nehmen das Beispiel einer Sitzung. 10 Sitzplätze an einem Tisch, 9 Teilnehmer, der 10. strebt sich gegen den Covid-Check. Wird derjenige dann per Teams hinzugeschaltet, wo-möglich auch noch aus dem Homeoffice heraus? Oder wird der dann auch disziplinarisch belangt? Wie sieht es dann bei demjenigen mit der Erfüllung seiner festgelegten Objektive bzw. seiner Missionen laut seiner „fiche de poste“ aus?

PCR-Tests, Masken und Schnelltests: alles für die Katz?

Überspringen wir jetzt mal die Bedenken arbeitsrechtlicher Natur und das Konfliktpotential in bezug auf die Datenschutzregelung. Hingegen will ich aber klar hervorstreichen, dass der Covid-Check ein Schritt aus der sanitären Krise hinaus sein kann.

Die Frage stellt sich nur, warum die Regierung jetzt ihren Irrweg auf Biegen und Brechen durchsetzen will, nachdem sie über Monate die Bevölkerung auf PCR-Tests, Masken und Schnelltests eingeschworen hat. Dass eine Regierung nicht ad eternum PCR-Tests finanzieren will und kann, ist verständlich. Aber warum sollen denn jetzt auf einmal die frei käuflichen Schnelltests verbannt werden und nicht mehr zum 3G-Prinzip gehören? Die Bestände werden ja wohl kaum schon aufgebraucht sein, bzw. werden die Supermärkte die Schnelltests wohl kaum aus dem Assortiment herausnehmen?

Letztendlich bleibt die Frage, wie viel ist der soziale Frieden der Regierung auf dem Weg aus der sanitären Krise wert?

Mylène Bianchy,

Präsidentin des SYPROLUX