Ein trauriger Tag in der Geschichte der CFLcargo


Wagen wir einen kurzen Rückblick ins Jahr 2005. Europäische Liberalisie rungsmaßnahmen setzen den Eisenbahnunternehmen mächtig zu. Die Lage im Frachtbereich auf der Schiene ist angespannt, der Konkurrenzdruck der Straße enorm. Und so kreiste der Pleitegeier über der gesamten Fret-Sparte, auch bei den CFL. Effiziente und vor allem sozialverträgliche Lösungen mussten her. Einerseits galt es, den aufgezwungenen Brüsseler Liberalisierungshunger zu stillen, andererseits mussten alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um den Güterverkehr bei den CFL aufrechtzuerhalten. Immerhin hing die Zukunft von rund einem Drittel des Personalbestands an einem seidenen Faden.

Von Anfang an eine Vernunftehe

Regierung, CFL-Direktion und die Gewerkschaften SYPROLUX und Landesverband traten in Verhandlungen, in die so genannte CFL-Tripartite ein. Es waren schwere Monate mit zähen Verhandlungen, in denen be sonders den Gewerkschaftsvertretern vieles abverlangt wurde. Um den Fret-Bereich am Leben zu erhalten, mussten wir ausgetretene Pfade verlassen und den Schritt in eine neue Ära wagen. Dies hieß, in eine Filialisierung des Güterverkehrs einzuwilligen. Keine leichte Entscheidung, denn es bedeutete, das Personalstatut für künftige Eisenbahnerinnen und Eisenbahner im Frachtbereich aufzugeben, und einen Teil der Belegschaft aus dem CFL-Mutterhaus auszulagern. Doch zu diesem Zeitpunkt war es der einzig gangbare und verantwortungsvolle Weg. Des Weiteren musste ein Geschäftspartner her. Es lag für viele auf der Hand, dass dies der Stahlkonzern ARCELOR, der damals größte Kunde im Fret-Bereich, sein sollte. Das Geschäftsmodell wurde maßgeblich für ARCELOR zusammengeschneidert. Ein Vertrag, in dem das Risiko zur 100% bei den CFL lag, wurde aufgesetzt. Als Sozialpartner haben SYPROLUX und Landesverband zähneknirschend, zusammen mit CFL und Arcelor, 2006 CFLcargo aus der Taufe gehoben. Es folgten Verhandlungen zu einem Kollektivvertrag für die «neuen» CFLcargo-Mitarbeiter. Es waren immer wieder schwere Verhandlungen. Und in den darauffolgenden Jahren versuchte man immer wieder, die Sozialpartner mit einer Gewinnbeteiligung für die Beschäftigten zu blenden. Ein Versuch, der jedes Mal auf unserer Seite ins Leere lief.

Erste Risse im Hochzeitsporzellan

CFLcargo nahm Fahrt auf! Sie diversifizierte ihre Aktivitäten, gründete weitere Filialen in Frankreich, Deutschland, Schweden und Dänemark und wurde so zu einem wichtigen Akteur im Fret-Bereich in Europa. Doch immer wieder kreiste in gewisser Weise ein Damoklesschwert über unseren Köpfen. Anfangs ein dumpfes Gefühl, welches über die Jahre hinweg nicht abzuschütteln war. Mittlerweile wurde aus ARCELOR, ARCELOR-Mittal, und mit dem neuen Namen kam ein Wandel, der aufhorchen ließ. Ein Global-Player im Stahlwesen unter internationaler Führung entstand, der nicht allzu viel von bewährten Lösungen «à la luxo-luxembourgeoise» hielt. Doch man vertraute auf die Partnerschaft, die sich mittlerweile seit 10 Jahren bewährt hatte. Die ersten grauen Wolken tauchten mit der Krise von 2008 auf. Wieder einmal unternahm man auf CFL-Seite alles, um die Lage zu entspannen. Es folgte eine Phase des Ausbaus. Die Gesellschaft gewann an Dynamik durch neue Projekte, erzielte Erfolge, nicht zuletzt durch den Einsatz der gesamten Belegschaft und einer gut aufgestellten Direktion, unter der Führung von CFLcargo-Direktor Laurence Zenner. Für ein doch noch junges Unternehmen ist es schwer, wenn der Partner, der einen eigentlich zu unterstützen hat, einen nur noch mit Euro-Zeichen in den Augen anschaut und sich nur noch mit wenigen Vokabeln wie Volatilität oder Kosteneinsparungen verständigt. Fällt dann noch öfters der drohende Satz: «Fallen die Preise für den Stahltransport auf der Straße weiter, könnten wir unsere Waren von der Schiene auf den Lastwagen verlegen!», schrillen die Alarmglocken. Bei solchen und ähnlichen Aussagen zur Notwendigkeit von Wartungsarbeiten am Rollmaterial und ande ren Infrastrukturen, stellt man nicht nur seine Unwissenheit über den Partnerbetrieb zur Schau. Den Gewerkschafter überkommt da, gelinde ausgedrückt, ein fast nicht zu unterdrückender Brechreiz.

Covid-19 – ein willkommener Vorwand?

Ob die sanitäre Krise des Covid-19 nun ein willkommener Vorwand war oder nicht, liegt im Auge des Betrachters. Fakt ist, dass Arcelor-Mittal in den vergangenen 18 Monaten immer wieder über einen Rückgang seiner Transportvolumen klagte. Fakt ist auch, dass sie mit ihren Äusserungen Druck auf die CFL-cargo-Direktion ausübten, damit diese wieder einmal ein Geschäftsmodell aus dem Hut zaubern, welches auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. In den Augen des SYPROLUX zeigt dies, dass die Partnerschaft aus dem Gleichgewicht geraten ist. Ich würde sogar so weit gehen, und sagen, dass es ein Verrat am Geiste der CFL-Tripartite von 2005 ist. Denn dieses Mal wird diese Anpassung an das Wunschkonzert von Arcelor-Mittal nicht «Personal neutral» bleiben.

Abzug der Truppen

Rund ein Drittel der Belegschaft wird abgebaut, indem das CFL-Mutterhaus rund 76% seiner statutarischen Eisenbahner aus der CFLcargo ab zieht. Seinerseits soll Arcelor-Mittal ebenfalls seinen Anteil, welcher in 14 Jahren von rund 85 auf 15 Mitarbeiter geschrumpft ist, zurück in den Mutterkonzern nehmen. Mit diesen Maßnahmen soll verhindert werden, dass die CFLcargo einen Sozialplan für ihre Belegschaft unter Kollektivvertrag ausrufen muss. Wie die Arbeiten mit einem Drittel weniger Perso nal bewerkstelligt werden sollen, steht derzeit auf einem anderen Blatt. Beide Direktionen von CFL und CFLcargo haben schnellstmöglich die Sozialpartner über diese notwendigen Schritte informiert. Viel wichtiger war aber die Tatsache, dass die Betroffenen in ein persönliches Ge spräch gebeten wurden, um ihnen ihre Lage zu erklären. Als SYPROLUX unterstreichen wir die Wichtigkeit einer genauen und effizienten Betreuung unserer Cargo-Kollegen. Dazu gehören eine genaue Kompetenzanalyse jedes Einzelnen, eventuelle Umschulungen oder erweiterte Ausbildungen, um eine weitgehend problemlose Wiedereingliederung ins CFL-Mutterhaus zu ermöglichen.

Ihr seid nicht alleine!

Als SYPROLUX haben wir unseren Mitgliedern in einem persönlichen Schreiben unsere Hilfestellung angeboten. Demnach, liebe Kollegen, zögert nicht, von diesem Angebot Gebrauch zu machen! Wir appellie ren ebenfalls an Euch alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, Solidarität und Geduld walten zu lassen, damit die Rückführungsphase nahtlos verlaufen kann.

Als SYPROLUX versichern wir Euch allen unsere Unterstützung!

Für den so genannten Partner von CFLcargo bleibt mir nur ein Satz: «Shame on you!»

Mylène Bianchy