Die Delegierten der Eisenbahnergewerkschaft SYPROLUX versammelt auf ihrem Kongress in Luxemburg/Stadt, am 25. November 2022 verfassen folgende Resolution.

Quo Vadis sozialer Zusammenhalt?

Eingangs sollten wir die Gelegenheit nutzen und etwas über den Tellerrand unserer hiesigen Eisenbahnerwelt hinweg schauen. Seit dem Februar 2022 tobt auf dem europäischen Kontinent ein Krieg. An diesem Tag befiehl der russische Präsident, Vladimir Putin die Invasion ukrainischer Territorien. Der Ausgang dieses Konflikts ist noch ungewiss. Schlimmer noch, dieser Krieg hat sich, wie seiner Zeit der erste Weltkrieg, zu einem regelrechten Stellungskrieg entwickelt. Das menschliche Leid ist derzeit unermesslich. Doch denkt man kurz an den Jugoslawien-Krieg, muss man mit der Entdeckung so mancher Gräueltat rechnen.

Bedenkt man noch die nukleare Gefahr, die, ob durch Beschuss von Atomzentralen oder den möglichen Einsatz von Atomwaffen, wie ein Damokles-Schwert über uns pendelt, so stellt man fest, dass der Mensch sich sein ärgster Feind ist. Die Covid-19 Krise ist noch nicht verdaut und schon wird unser Gemüt auf ein Neuestes auf die Probe gestellt.

Wirtschaftlich gesehen hat ein einziges Land, welches auf Platz 11 von den 20 Ländern mit dem größten Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2021 rangiert, dem gesamten europäischen Kontinent, samt seiner EU- Institutionen und der NATO ihre unglaubliche Abhängigkeit in punkto Energie und Getreide schonungslos vor Augen geführt.

Betrachten wir die Situation Luxemburgs, so stellt man fest, dass die wirtschaftlichen Konsequenzen jeder Einzelne von uns spürt: die Energiekosten und Treibstoffkosten explodieren, die Kreditzinsen schnellen in die Höhe, die Inflation galoppiert uns davon.

Das Zahlenmaterial des STATEC für das Jahr 2021, über soziale Ausgrenzung und Armut hierzulande sind alles andere als rosig. Luxemburg verbucht 130.400 Menschen, welche akut von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Der Prozentsatz der Einkommensarmut (taux de pauvreté sur le revenu) liegt bei 18,1%, die Konsumarmutsquote (taux de pauvreté à la consommation) beträgt 19,8%. Statistisch gesehen haben wir in Luxemburg eine Gesamtarmutsquote von 7,3%. Ein trauriger Rekordwert für ein doch so reiches Land. Wir wussten schon lange, dass Luxemburg keine Insel ist. Doch jetzt wissen wir ebenfalls, dass wir in einem Land leben, indem das Phänomen der “working poor people” definitiv angekommen ist. Die Schere zwischen reich und arm wird immer größer und der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft droht zu bröckeln. Hier stehen Politiker, Arbeitgeber und Arbeitvertreter in der Pflicht ihre soziale Rolle wahrzunehmen.

• Aus diesen Gründen fordern wir die Regierung und das Parlament dazu auf:

• schnellstens, gezielte und effiziente Hilfen bei Energiekosten umzusetzen,

• eine gerechte und längst überfällige Steuerreform anzugehen,

• weiterhin am Index-System festzuhalten und diesen auch anzuwenden,

• Bauspekulanten Einhalt zu gebieten und erschwinglichen Wohnraum zu schaffen,

• das Einschreiten gegen unnütze und exorbitante Gebühren bei Bankoperationen;

• über die CSSF eine striktere Überwachung der Entwicklung des Zinssatzes bei Darlehen.

Das „WIR“ im Mittelpunkt

Mit einem Investitionsprogramm für den Schienenverkehr über 7,2 Milliarden Euro wurde im Sommer 2022, das bis dato teuerste Gesetz im Parlament gestimmt. Ein solches Programm unterstreicht die Rolle der Eisenbahn als Rückgrat der Mobilität des Landes. Des Weiteren werden die sogenannten “contrats de service public” für den Personenverkehr über die Schiene und die Infrastruktur ab dem 01. Januar 2024 für 15 Jahre verlängert, der für den CFL-Busbereich für 10 Jahre. Dies kann uns an und für sich nur positiv stimmen. Dieses Votum verleiht Sicherheit für Betrieb und Mitarbeiter:innen für die Zukunft.

Das „Wir“ leben

Als SYPROLUX wollen wir die positiven Ansätze der CFL-Direktion in Zusammenhang mit dem Wohlbefinden am Arbeitsplatz der Mitarbeiter:innen nicht klein reden. Das “WIR”, welches in der Strategie der CFL-Direktion, neben dem Kunden, im Mittelpunkt steht, die Schulungen im Bereich “Leadership” (Personalführung), die Einführung der “dialogue de sécurité”, die laufende Ausarbeitung des Aktionsplan zur Umsetzung des “Women in Rail”-Abkommens, die Initiative zum “Offboarding” (die Vorbereitung des Übergangs vom Arbeitsleben zum Renteneintritt) sind alles positive Akzente, denen unser gebührender Respekt gilt.

Doch können wir als Eisenbahnergewerkschaft die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass dieses hochgepriesene „Wir“ in mehreren Dienstzweigen, bedingt durch eine schon fast hermetische Le(ä)hmschicht, noch nicht zu der jeweiligen Obrigkeit durchgedrungen ist. Das Gleiche gilt für neue Bestimmungen oder bindende Entscheidungen der Zentraldelegation, wo wir uns als Sozialpartner fragen, ob diese überhaupt im Management wahrgenommen, bzw gelesen werden. Dies ist nicht nur, in unseren Augen, ein eklatantes Fehlverhalten seitens der Hierarchie, sondern ebenfalls ein flagranter Mangel an Respekt gegenüber Arbeitnehmervertretern und des Sozialdialogs als solchem. Mitarbeiter:innen und Vertreter:innen des Personals sind mehr als nur Nummern, die sich zum Dienst melden. Der Stolz Eisenbahner:in zu sein schwindet, demnach müssten die Alarmglocken auf irgendeiner Ebene ganz gewaltig schrillen. Will man verhindern, dass die innerliche Kündigung sich ausbreitet, wird es Zeit ein Umkehrschub einzuleiten, doch nicht beim „Lampisten“, sondern auf der Ebene des Middle-Managements.

Verantwortung übernehmen und Sozialdialog leben

Als SYPROLUX fordern wir vehement, dass:

• bei der Schaffung zusätzlicher bzw neuer Arbeitsposten oder neuer Arbeitsprofile im Laufe eines Effektiv-Jahres müssen diese vorab mit der Zentraldelegation abgeklärt bzw abgesprochen werden,

• das obligatorische Abhalten von sogenannten “examen de promotion”, bzw letztes Laufbahnexamen im 5 Jahrestakt für sämtliche Berufssparten der CFL. Dies im Sinne einer gesunden und motivierenden beruflichen Entwicklung des/der Mitarbeiters/in,

• kurzfristige Dienstplanänderungen dem Personal persönlich per Telefon mitgeteilt werden müssen,

• eine Aufwertung der I- und A-Laufbahn angegangen wird, da in diesen die Aufgaben stets komplexer und sicherheitsrelevanter werden,

• sämtliche Berufe, deren Mitarbeiter:innen über eine Fahrlizenz, sowie einer ACH (attestation complémentaire harmonisée des conducteurs de train) verfügen, müssen, als Fahrpersonal eingestuft werden und die damit verbundenen Arbeitsbestimmungen sind anzuwenden,

• dem Abbau verschiedener I-, A-, M und S-Posten Einhalt geboten wird und nicht mit einem einfachen Federstrich in einen B- oder D-Posten umgewandelt werden können,

• dass das geplante “Comité de Suivi” die Umsetzung der “tableaux de service” im Service MI genaustens verfolgt. Sollten etwaige Anpassungen getätigt werden, können diese nur in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern umgesetzt werden. Wir bestehen ebenfalls auf das Erstellen einer ersten Bilanz Ende 2023, welche ebenfalls der Zentraldelegation vorgelegt werden muss,

• zügig ein neuer Vorschlag zur Neufassung des Regelwerks zum Bereitschaftsdienst (IG15) vorgelegt wird. Des Weiteren fordern wir eine kontinuierliche Information in Bezug auf das Voranschreiten der Arbeiten, sowie ein Follow-up der Umsetzung, samt Bilanz nach 1 Jahr ab der Einführung. Der Bereitschaftsdienst muss ebenfalls mit den geltenden Arbeitsbestimmungen in Einklang sein.

CFL-Busfahrer:innen sind sehr wohl Eisenbahner:innen

Als SYPROLUX haben wir absolut kein Verständnis für das derzeitige Verhalten der BU-Obrigkeit. Derzeit mehren sich die Verstöße gegen geltende Vorschriften für Berufsfahrer. Aus unserer Sicht geschieht dies mittlerweile willentlich und wissentlich.

Als SYPROLUX fordern wir deshalb, dass:

• das Erstellen der Umlaufpläne, samt informatischem Tool, Prozeduren und Kriterien einem Audit unterzogen wird, um Unregelmäßigkeiten zu dokumentieren und vor allem zu beheben,

• für das Jahr 2023 endlich eine große Bipartite BU, anlässlich welcher alle Probleme im BU schonungslos offen gelegt werden, und wo man den wahren Sozialdialog wieder in den Vordergrund stellt, zu Stande kommt,

• die Wiedereinführung des 19-Wochen-Schemas für die Kolleg:innen, die in einem “roulement” geführt werden, schnellstmöglich erfolgt. Dies wurde vom aktuellen Dienstchef des BU schon am 02. März 2020, anlässlich einer Informationsversammlung im Busbetrieb unter gewissen Voraussetzungen in Aussicht gestellt. (z.B. Abschluss der Baustelle Tram Richtung LTB, Reorganisation des RGTR). Diese Voraussetzungen sind schon längst erfüllt, jedoch kann (oder will) sich der Dienstchef nicht mehr an seine einstigen Worte erinnern.

Wie lange noch?

Das Sicherheitsgefühl eines Menschen ist schwer einzuschätzen, da es als subjektiv gilt. Aus diesem Grund kann man sich rein auf die Anzahl an Übergriffen, Delikten und Fehlverhalten basieren, um in etwa ein Bild der Sicherheit im ÖPNV zu zeichnen. In diesem Sinne begrüßen wir als SYPROLUX die Schaffung einer CFL internen App, welche das Erstellen eines sogenannten CIS (constat incident sûreté) erleichtern soll.

Doch seit der Einführung des Gratis ÖPNV und der Covid-19-Pandemie ist das „comité de pilotage sécurité dans les transports publics“ in der Versenkung verschwunden. Doch genau dieses Gremium, unter der Federführung des Mobilitätsministeriums und in welchem sämtliche Transportakteure, Gewerkschaften, Staat und Polizei vertreten sind, soll eine Neufassung des Gesetzes von 2009 zur Sicherheit im ÖPNV ausarbeiten. In diesem Text soll ebenfalls der Zuständigkeitsbereich der Zugbegleiter:innen verankert werden.

Währenddessen eskaliert die Lage auf dem Terrain, die Zahl der Übergriffe dem Personal und den Kunden gegenüber steigen im gleichen Masse wie die Gewaltbereitschaft bei manchen Nutzern des ÖPNV.

Als SYPROLUX fordern wir deshalb, dass:

• mit Nachdruck die Schaffung einer, seit langem geforderten und den Bereich „öffentlicher Transport“ zuständig ist,

schon zugesagten, Polizeieinheit, die für

• das “Comité de pilotage Sécurité dans les transports publics” endlich die Neufassung des Gesetzestextes zur Sicherheit im ÖPNV vorlegt,

• dass sich die Polizei mit den Trägern des ÖPNV auf die gleiche Auslegung bestimmter Begriffe verständigen und gleichzeitig eine Kartografie erstellen soll, welche etwaige Hotspots identifiziert,

• ein strengeres Strafmaß bei tätlichen und verbalen Übergriffen gegenüber Bediensteten des öffentlichen Transportes und vor allem zügige Prozessverfahren eingeleitet werden, damit die Opfer ein gewisses Mass an Gerechtigkeit erfahren und mit den Geschehnissen abschliessen können,

• weiterhin alles unternommen wird, um den Aggressionen Einhalt zu gebieten (systematisches Anzeigen der Täter) und eine sorgfältige Betreuung aller Mitarbeiter:innen, die Opfer eines Übergriffs, zu Gute kommt.